Mechatronische Simulation eines EMV-Aktuators


Prof. Dr.- Ing. Günter Schmitz, Fachhochschule Aachen,
guenter.schmitz@fh-aachen.de
Dr.- Ing. Martin Pischinger, FEV Motorentechnik, Aachen
pischinge_m@fev.de

Abstract: In the past, many efforts have been made to reduce the emissions and the fuel consumption of internal combustion engines. An increasing number of functions like ignition and injection are electronically controlled. Only the gasexchange valves are still driven mechanically with merely electronic control. A system for fully electromagnetical control has been developed by FEV Motorentechnik. To achieve a safe operation of the magnetic valve actuators combined with a good efficiency regarding electrical power consumption as well as an acceptable noise level, the actuators have to be optimized concerning the motion control. The Fachhochschule Aachen and FEV Motorentechnik cooperate in the field of mechatronic simulation of the actuator and the electronic control circuit. The simulation tools and the principle of the research process are shown. First results for the simulation are discussed and the future proceeding is indicated.

Zusammenfassung: In der Vergangenheit wurden große Anstrengungen unternommen, den Verbrennungsmotor umweltfreundlicher und zugleich verbrauchsgünstiger zu gestalten. Immer mehr Funktionen werden hierzu elektronisch gesteuert. Die einzig verbleibenden wesentlichen Elemente, die Gaswechselventile, können bisher nur in sehr geringem Maße elektronisch beeinflußt werden. Ein System mit der Möglichkeit zur vollständigen elektronischen Steuerung der Ventile wurde bei FEV Motorentechnik entwickelt. Um eine sichere Funktion der Ventilaktuatoren bei gleichzeitig einem guten elektrischen Wirkungsgrad sowie einwandfreiem Geräuschniveau zu erzielen, müssen die Aktuatoren bezüglich der Steuerung ihres Bewegungsverlaufes optimiert werden. Die Fachhochschule Aachen arbeitet gemeinsam mit FEV Motorentechnik an der mechatronischen Simulation der Aktuatoren und der Steuerelektronik. Die Simulationswerkzeuge und der prinzipielle Ablauf des Entwicklungsprozesses werden dargestellt. Erste Ergebnisse der Simulation werden diskutiert und die künftige Vorgehensweise wird aufgezeigt.

1 Hintergrund der Veröffentlichung

Diese Veröffentlichung erfolgt anläßlich eines Workshops, in dem insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen aufgezeigt werden soll, welche Vorteile aus der integrierten Betrachtung von Mechanik und Elektronik resultieren. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung von Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung von Simulationstools ergeben. An dem konkreten Beispiel einer Entwicklung eines elektromagnetischen Ventilsteuerungssystems für Verbrennungsmotoren soll exemplarisch aufgezeigt werden, welche Benefits sich aus der gesamtheitlichen, mechatronischen Betrachtung ergeben.

Hierzu wird zunächst eine Einführung in die Motivation für solche Ventilsteuerungen gegeben und im Anschluß die Vorgehensweise bei der Simulation dargestellt..

2 Einleitung und Motivation

Verbrennungsmotoren sind derzeit die für den mobilen Einsatz am besten geeigneten Motoren, da der Energieinhalt des flüssigen Kraftstoffes pro Volumeneinheit extrem hoch ist im Vergleich zu anderen Energieträgern wie z.B. elektrische Batterien. Vor dem Hintergrund des steigenden Umweltbewußtseins sind in der jüngeren Vergangenheit große Schritte erzielt worden hinsichtlich der Reduktion der Schadstoffemissionen bei gleichzeitiger Reduktion des Kraftstoffbedarfes. Ähnlich große Schritte wie bisher erscheinen kaum noch möglich, da die meisten Komponenten und Funktionen bereits einen hohen Optimierungsgrad aufweisen. Lediglich eine wesentliche Komponente ist bisher noch nicht durch die digitalen Motorsteuerungen völlig frei steuerbar, nämlich die Gaswechselventile. Gerade hier schlummert aber das letzte große Potential, das bisher nur in geringem Maße genutzt werden konnte. Phasenversteller für die Nockenwelle // sowie umschaltbare Nockenprofile // ermöglichen immerhin eine gewisse Beeinflussung des Gaswechselvorgangs in Abhängigkeit des jeweiligen Betriebszustandes. Wünschenswert wäre jedoch eine vollvariable Ventilsteuerung, bei der nicht nur eine Verschiebung der Steuerzeiten - wie bei der Nockenwellenverstellung - oder eine Umschaltung zwischen zwei möglichen Steuerzeitvarianten sondern vielmehr eine vollkommen unabhängige Steuerung der Öffnungs- und Schließzeiten möglich ist.

3 Vorteile einer vollvariablen Ventilsteuerung

Durch eine vollvariable Ventilsteuerung sind folgende Möglichkeiten und Vorteile gegeben:

Im folgenden werden diese Verfahren näher beschrieben.

3.1 Drosselfreie Laststeuerung

Durch den Einsatz einer vollvariablen Ventilsteuerung kann die Drosselklappe entfallen und die Last mittels der Ventilsteuerzeiten eingestellt werden. Durch das Entfallen der Drosselverluste kann der Kraftstoffverbrauch um durchschnittlich ca. 15 Prozent gesenkt werden. Es stehen zwei Methoden zur drosselfreien Laststeuerung zu Verfügung, Frühes Einlaß Schließen und spätes Einlaß Schließen. In Bild 1 sind diese beiden Methoden der konventionellen Laststeuerung mittels Drosselklappe gegenübergestellt. Aufgetragen ist jeweils der Brennraumdruck über dem Brennraumvolumen.

Laststeuerung über die Drosselklappe

Im linken Teilbild erkennt man die Verhältnisse im Teillastbereich bei teilweise geöffneter Drosselklappe. Um den oberen Totpunkt (OT) herum öffnen zunächst die Einlaßventile (EÖ), dann werden die Auslaßventile geschlossen (AS). Gegen den Strömungswiderstand der Drosselklappe wird nun das Frischgemisch angesaugt, wobei sich ein Unterdruck einstellt. In der Nähe des unteren Totpunktes (UT) werden die Einlaßventile geschlossen (ES) und danach durch die Aufwärtsbewegung des Kolbens das Gemisch verdichtet. Durch den Verbrennungsvorgang baut sich ein hoher Druck auf, so daß bei der Abwärtsbewegung des Kolben die Kurve auf einem höheren Druckniveau durchlaufen wird. In der Nähe des UT öffnet das Auslaßventil (AÖ), und das Gemisch kann wieder ausgeschoben werden.

Unterschiedliche Frischgemischmengen werden bei diesem Verfahren durch unterschiedliche Drosselungen realisiert. Dies ist das heutzutage in Serienfahrzeugen mit Ottomotor nahezu ausschließlich realisierte Verfahren.

Bild 1: Laststeuerung: (a) konventionell mit Drosselklappe (DK), (b) ohne DK mit frühem 'Einlaß Schließen', (c) ohne DK mit spätem 'Einlaß Schließen'

Frühes Einlaß Schließen (FES)

Hierbei wird während der Ansaugphase das Einlaßventil geschlossen, sobald die gewünschte Frischgemischmasse in den Zylinder gesaugt wurde (ES). Da das Schließen des Einlaßventils früher als bei konventionellen Ventiltrieben erfolgt, wird das Verfahren als "Frühes Einlaß Schließen" bezeichnet.

Spätes Einlaß Schließen (SES)

Hierbei wird zunächst mehr Frischgemisch, als benötigt, in den Zylinder gesaugt. Das Einlaßventil bleibt jedoch weiterhin geöffnet, so daß das überschüssige Frischgemisch wiederum ins Saugrohr zurück geschoben wird. Da das Schließen des Einlaßventils später als bei konventionellen Ventiltrieben erfolgt, wird das Verfahren als "Spätes Einlaß Schließen" bezeichnet.

Die durch die alternativen Laststeuerverfahren hierdurch erzielbaren Verbrauchsvorteile sind in Bild 2 dargestellt. Die im Druckvolumendiagramm (P/V- Diagramm) durch die Kurven umschlossenen Flächen stellen die zugehörige Arbeit dar. Diese Arbeit wird durch die auf das Hubvolumen bezogene Größe, den indizierten Mitteldruck pmi dargestellt. Dieser Wert kann in zwei Teilwerte aufgespalten werden: pmiH und pmiL. Diese Werte repräsentieren zum einen den in der Hochdruckphase geleisteten Anteil der Arbeit und zum anderen den in der Ansaugphase aufzuwendenden Teil der Arbeit (PV- Schleife wird entgegen dem Uhrzeigersinn durchlaufen). Wie in Bild 1 zu erkennen war, ist dieser Anteil bei den Ventilsteuerverfahren FES und SES verschwindend gering, so daß diese Ladungswechselverluste praktisch vernachlässigbar sind. Im rechten Teil von Bild 2 erkennt man den Anteil der Ladungswechselarbeit am der Gesamtenergie.

Bild 2: Anteil der Drosselverluste eines gedrosselten Motors an der Gesamtarbeit

Dargestellt ist hier der indizierte Mitteldruck pmi als Maß des abgegebenen Motormomentes über der Motordrehzahl. Die obere Linie im Diagramm gibt demgemäß also die Kurve des maximalen Momentes (also der Vollast) wieder. Da hier die Drosselklappe vollständig geöffnet ist, ergeben sich in diesem Betriebszustand keine Unterschiede. Darunter sind dann die Linien konstanter Verbrauchsvorteile in Prozent eingezeichnet. Man erkennt, daß in bestimmten Kennfeldbereichen die Drosselverluste bei 30% und mehr liegen können, so daß bei drosselfreien Motoren ein hohes Einsparpotential vorhanden ist.

3.2 Gleichmäßiger hoher Drehmomentverlauf

Die Druckschwingung im Saugrohr kann genutzt werden, um eine große Frischgemischmenge bzw. ein großes Drehmoment zu erzielen. Beim konventionellen Ventiltrieb kann dieser Resonanz-Auflade-Effekt jedoch nur für einen kleinen Drehzalbereich genutzt werden. Durch den Einsatz einer vollvariablen Ventilsteuerung können die Ventilsteuerzeiten so variiert werden, daß im gesamten Drehzahlbereich des Motors ein hohes Drehmoment erreicht werden kann. Insbesondere bei tiefen Drehzahlen kann das Drehmoment im Vergleich zu konventionellen Motoren um bis zu 20 Prozent erhöht werden.

3.3 Optimierung des Restgasanteils im Frischgemisch

Das verbrannte Gas, das aus dem vohergehenden Arbeitsspiel im Zylinder verbleibt, wird als Restgas bezeichnet. Dabei gibt es für jeden Betriebspunkt, der durch Motorlast und Drehzahl beschrieben wird, einen optimalen Anteil des Restgases im Frischgemisch bezüglich Kraftstoffverbrauch und Emissionen. Durch den vollvariablen Ventiltrieb kann der jeweils optimale Restgasanteil frei eingestellt werden.

3.4 Zylinderabschaltung

Durch die vollvariable Ventilsteuerung können bei Mehrzylindermotoren einzelne Zylinder abgeschaltet werden. Dadurch arbeiten die aktiven Zylinder in höheren und hinsichtlich der Verbrennung günstigeren Betriebspunkten. Die Zylinderabschaltung kann reihumlaufend erfolgen, wodurch das Auskühlen der deaktivierten Zylinder vermieden werden kann.

Eine nähere Beschreibung der in diesem Kapitel genannten Effekte findet sich in //

4 Funktionsweise des Elektromagnetischen Ventiltriebs

Folgende Anforderungen an einen elektromagnetischen Ventilaktuator für die Gaswechselventile sind zu erfüllen:

Eine entsprechend große Stellkraft mittels eines Magneten über einen Luftspalt in der Größe des Ventilhubes zu realisieren, wäre mit einem Magneten in der geforderten Größe nicht möglich.

Aus diesem Grund wurde ein anderes System gewählt. Zusätzlich zur Ventilfeder, die das Ventil in die geschlossene Position drückt, wirkt eine zweite Feder in Gegenrichtung ("Druckfeder" in Bild 3). So läßt sich ein Feder- Masse System realisieren, dessen Ankerruheposition sich in der Mittellage zwischen zwei Magneten befindet.

Bild 3: Prinzipieller Aufbau eines Elektromagnetischen Ventilaktuators

Bei einer geschlossenen Ventilposition liegt der Anker an der Polfläche des oberen Magneten an. Durch den in dieser Position recht kleinen Luftspalt ist zum Halten in dieser Lage nur ein relativ geringer Strom durch den oberen Magneten erforderlich. Soll das Ventil geöffnet werden, so wird der Strom durch den oberen Magneten abgeschaltet. Dadurch sinkt die Magnetkraft unter die Federkraft und der Anker wird in Richtung des unteren Magneten beschleunigt. Diese Beschleunigung wirkt bis zur Mittellage. Ab dort wird der Anker durch die Federkraftwirkung wieder abgebremst. Die bis zur Mittellage aufgebaute kinetische Energie wird nun wieder in potentielle Energie umgewandelt und der Anker würde im Idealfall (ohne Reibung und andere Verluste) mit einer cosinus förmigen Bewegung sanft an der Polfläche des unteren Magneten (Öffnermagnet) ankommen. Um den Anker in dieser Position (Ventil geöffnet) zu halten, muß ein Haltestrom durch den Öffnermagneten fließen.

Sobald das Schließen des Ventils gewünscht ist, wird der Haltestrom durch den Öffnermagneten abgeschaltet und der Schließvorgang läuft entsprechend in umgekehrter Richtung ab.

In dem gerade beschriebenen Idealfall wäre also nur jeweils ein sehr geringer Haltestrom erforderlich. Tatsächlich entstehen natürlich Verluste durch die Reibung in den Führungen aber auch durch Strömungsverluste am Ventil und am Anker. Diese müssen nun während der Flugphase ausgeglichen werden. Dazu muß bereits während der Flugphase ein "Fangstrom" bereitgestellt werden.

Bild 4: Verläufe von Ankerweg, Spulenstrom und Spulenspannung

In Bild 4 sind die Verläufe von Ankerweg, Spulenstrom und Spulenspannung dargestellt. Zunächst ist die obere Spule noch mit einem "Haltestrom" beaufschlagt. Nach Abschalten des Haltestroms (t1) beginnt nach einer kurzen Klebzeit die Bewegung des Ventils (tAb). In der Bewegungsphase des Ventils wird mit die Bestromung der unteren Spule eingeschaltet (t2). Um den Einfluß von Batteriespannung und Spulentemperatur so klein wie möglich zu halten und außerdem (aus energetischen Gründen) einen möglichst schnellen Stromaufbau zu erzielen, wird die Spule zumindest in der Fangphase mit einer hohen Spannung von ca. 40 bis 200 Volt beaufschlagt. Nach Erreichen des gewünschten Stromes wird der Strom linear (oder aus energetischen Gründen getaktet) eingeregelt. Dadurch sinkt der Spannungsbedarf auf denjenigen Wert, der sich aus dem Produkt von Spulenstrom und Spulenwiderstand ergibt. Durch den anfliegenden Anker wird allerdings eine zunehmende Gegenspannung induziert, die eine höhere Versorgungsspannung erforderlich macht, wenn der Strom beibehalten werden soll (siehe Spannungsanstieg in Bild 4). Gerade die Zusammenhänge zwischen Ankerposition und -geschwindigkeit einerseits und den entsprechenden dynamischen Rückwirkungen andererseits würden bei einer rein mechanische Simulation zu großen Fehlern führen.

Nach dem Ankommen des Ankers an der Polfläche (tAn) sinkt der Spannungsbedarf wieder deutlich ab. Außerdem kann nun, nachdem das Fangstromniveau (IF) zur Vermeidung eines Wiederabprallens des Ankers noch eine Zeit lang aufrecht erhalten wurde, auf das Haltestromniveau (IH) zurückgegangen werden (t3). Dieses Haltestromniveau liegt wesentlich unterhalb des Fangstromniveaus.

5 Mechatronische Simulation des Ventilaktuators und der elektronischen Steuerung

Bei der Auswahl des Simulationstools war neben der Leistungsfähigkeit auch die Bedienung und vor allem die "Lesbarkeit" der erstellten Modelle vorrangig. Bei den meisten Simulationsprogrammen, die aus der Elektrotechnik stammen, kann der mechanische Teil nur in Form von elektronischen Symbolen dargestellt werden. Dabei können Analogien verwendet werden, die die Ähnlichkeit der beschreibenden Differentialgleichungen ausnutzen. So kann z.B. eine träge Masse als Kondensator dargestellt werden und eine Feder als Spule. Dabei entspricht dann die Spannung der Geschwindigkeit und die Kraft dem Strom. Der Strom bzw. Die Kraft stellt die Durchgangsgröße (through) dar und die Geschwindigkeit die Differenzgröße (across). Somit sind die Kirchhoff'schen Regeln der Elektrotechnik wieder verwendbar, also die Knotenpunktregel "Summe der Kräfte (Ströme) ist Null" sowie die Maschenregel "Summe der Geschwindigkeiten (Spannungen) bei einem Umlauf ist Null". Auch die gespeicherten Energien entsprechen sich (z.B. E = ½ CU2 bzw. E = ½ mv2). Die Übersichtlichkeit solcher Darstellung läßt allerdings sehr zu wünschen übrig, selbst wenn prinzipiell eigene Symbole vergeben werden können. Ebenfalls müssen mühsam die Parameter umgerechnet werden, also z.B. muß eine Zuordnung zwischen Ampere und Newton festgelegt werden. Die Resultate müssen entsprechend zurückgerechnet werden.

Bei den im folgenden beschriebenen Simulationen wurde nun allerdings ein Simulationssystem verwendet, das alle diese Nachteile nicht aufweist. In dem Simulationssystem SABER von der Firma Analogy ist es möglich, aus einer Bauteilebibliothek neben den elektronischen Komponenten auch mechanische, magnetische und andere Arten von Elementen auszuwählen. Diese könne in den üblichen physikalischen Einheiten, also neben Strom und Spannung auch als Weg und Kraft, sowie als Momente, Federsteifigkeiten in N/m, Geschwindigkeiten etc. angegeben werden. Auch die Ausgabewerte sind in üblichen SI- Einheiten verfügbar.

Ein einfaches mechanisches Modell der Aktuatoreinheit ist Bild 5 wiedergegeben.

Bild 5: Mechanisches "Schaltbild" eines einfachen Aktuatormodells

Man erkennt die beiden Magneten mit ihren hier noch unbeschalteten elektrischen Anschlüssen. Die Ankermasse wird durch das Gewichtssymbol dargestellt. Auf der linken Seite erkennt man eine Ankerwegbegrenzung, bei der die Eigenschaften der Polflächen hinsichtlich Steifigkeit und (Aufschlag-) Dämpfung vorgegeben werden können. Die obere Feder ("Ankerfeder") ist direkt mit der Ankermasse verbunden. Weil der Ankerbolzen nicht formschlüssig mit dem Ventilschaft verbunden ist, sondern vielmehr ähnlich dem konventionellen Ventiltrieb ein Ventilspiel vorgesehen ist, ist sind Ventilmasse und -feder im Modell nur über einen "Mitnehmer" (Hardstop) an den Anker gekoppelt. Auf der rechten Seite ist die Ventilfeder, die Ventilmasse, der Ventilsitz ("Ventilwegbegrenzung") und ein Dämpfungselement angeordnet. In diesem einfachen Modell wird lediglich ein Dämpfungselement auf der Ventilseite verwendet, das die im System auftretenden Reibungen nachbilden soll. Da die Reibungen zu einem wesentlichen Teil dem Ventilsystem zuzuschreiben sind, ist im Modell die Dämpfung dort angesiedelt worden.

Das mechanische Modell läßt sich nun als ein neues Element in einen elektrischen Schaltplan einfügen (bessere Übersichtlichkeit). Man kann allerdings auch die Gesamtschaltung in einer einzigen Hirarchieebene darstellen. In Bild 6 ist die erstere Möglichkeit dargestellt.

Die elektrischen Eigenschaften des Magneten, insbesondere die Streuinduktivitäten sowie die Wirbelstromverluste sind hier in Form von Widerständen und Induktivitäten abgebildet. Als Quelle wird hier zunächst eine über Parameter im Zeitverlauf steuerbare Stromquelle eingesetzt. Durch die zusätzlich eingeführte Spannungsbegrenzung kann das Verhalten realer Quellen nachgebildet werden.

Bild 6: Elektrischer Teil des Modells

In weiteren Schritten kann dann diese Quelle durch die zu verwendende elektronische Schaltung ersetzt werden.

Eine für die korrekte Simulation besonders wichtige Komponente stellen die Magnete mit ihren stark nichtlinearen Eigenschaften dar. Bei einfacheren Problemstellungen genügt die Verwendung eines mitgelieferten Magnetmodells, das zwar die Induktivitätsänderung bei Annäherung des Ankers, nicht jedoch die Sättigungseffekte der Magneten bei höheren Strömen berücksichtigt.

Aus diesem Grund wird bei der Simulation des Elektromagnetischen Ventilaktuators auf ein Modell zurückgegriffen, bei dem die Kurven für die Induktivität sowie die auftretenden Magnetkräfte sowohl in Abhängigkeit des Abstandes als auch in Abhängigkeit der Stromhöhe vorgebbar sind. Die hierzu erforderlichen Daten können aus statischen Messungen am Magneten gewonnen werden. Eleganter und für Parameterstudien günstiger ist allerdings die Verwendung von Kurven aus FE- Berechnungen anhand der Magnetgeometrien. Hierzu wird das Finite- Elemente- Programm Maxwell eingesetzt. In diesem Programm sind die Magnetgeometrien sowie die Eigenschaften der einzelnen Materialien genau vorgebbar. Die Ergebnisse der FE- Berechnungen werden automatisch in die dynamische Simulation mittels SABER übernommen.

Bild 7: Übersicht über die gesamte Simulationsumgebung

Bild 7 zeigt eine Übersicht über die gesamte Simulationsumgebung. Mit Hilfe eines Schaltplaneditors "Design Star" oder "SABER Sketch" wird zunächst die Schaltung inklusive der mechanischen Komponenten eingegeben. Vom FE- Programm Maxwell werden die Modelle und die Daten für die Magnete beigesteuert. Sodann können Simulationen für Spannungsverläufe, Stromverläufe, Weg- und Geschwindigkeitsverläufe durchgeführt werden. Durch Variation von Parametern kann dann der Einfluß von Störfaktoren, wie z.B. sich ändernden Reibungen bzw. Strömungsverlusten am Ventil herausgefunden werden. So kann z.B. durch eine automatisierte Parametervariation für verschiedene Schaltungs- oder Magnetvarianten die Empfindlichkeit der Auftreffgeschwindigkeit des Ankers auf die zyklischen Schwankungen der Bewegungsdämpfung untersucht werden. Weiterhin kann der Einfluß von Bauteiletoleranzen, Spannungsschwankungen oder ähnlichen im späteren Serieneinsatz zu erwartenden Einflüssen studiert werden. Hierzu stehen sowohl systematische Parametervariationen ("Loop") als auch statistische Methoden ("Gauß", "Monte Carlo") zur Verfügung.

6 Grundlegende Simulationsergebnisse

Als Input für die eigentliche dynamische Simulation ist zunächst die Ermittlung der statischen Magnetkraftverläufe in Abhängigkeit von Ankerabstand und Strom erforderlich. Dazu werden die entsprechenden Magnetgeometrien sowie die jeweiligen Materialeigenschaften in das Programm Maxwell eingegeben. Als Ausgabefile steht unmittelbar ein Modell für die dynamische Simulation mittels SABER zur Verfügung. Die Verläufe der Kraft über dem Ankerabstand mit dem Strom als Parameter sind in Bild 8 dargestellt. Man erkennt den stark nichtlinearen Zusammenhang. Weiterhin sieht man deutlich den Einfluß der Sättigung: bei größeren Strömen steigt die Kraft bei großer Ankerannäherung nicht mehr so stark an wie bei kleinen Strömen.

Bild 8: Kraftverlauf über dem des Ankerabstandes bei Variation des Stromes

Nun erfolgt die eigentliche dynamische Simulation. Bild 9 zeigt die Simulationsergebnisse für Spannung, Strom, Ankerweg- und geschwindigkeiten bei zwei unterschiedlichen Einstellungen des Fangstromniveaus. Bei der Einstellung "niedriger Fangstrom" erkennt man, daß die Kurven zunächst den theoretisch erwarteten Verläufen entsprechen - bis auf ein kleines "Einbrechen" des Stromes bei starker Annäherung des Ankers. Dieser Einbruch liegt darin begründet, daß der Spannungsbedarf für die Konstanthaltung des Stromes aufgrund der vom Anker induzierten Gegenspannung so weit ansteigt, daß die gewählte Versorgungsspannung nicht ausreicht, um den entsprechenden Strom sicherzustellen.

Bild 9: Simulationsergebnis für Spannung, Strom, Ankerweg- und geschwindigkeit

Die Energieeinkopplung in den Anker ist bei dem niedrigen Stromwert nicht ausreichend, um den Anker zu fangen. Dies wird bei der Betrachtung des Ankerweges (unterste Kurve) sowie der Ankergeschwindigkeit deutlich. Der Anker erreicht die Polfläche nicht ganz sondern fällt wieder ab.

Bei dem höheren Fangstromniveau von wird der Anker gefangen. Man erkennt bei diesem Fangstromniveau noch deutlicher den Stromeinbruch. Dieser Stromeinbruch verdeutlicht die dringende Notwendigkeit, die Rückwirkungen der Ankerbewegung auf den elektrischen Kreis zu berücksichtigen.

7 Simualtionsergebnisse mit verfeinertem Modell

In weiteren Schritten kann nun das Modell verfeinert werden. So kann beispielsweise das gesamte mechanische System in Einzelteile aufgesplittet werden, um tatsächlich nur kraftschlüssig vorhandene Verbindungen realistisch zu berücksichtigen. Berücksichtigt man etwa die Trennung von Ankerbolzen und Anker sowie das erforderliche Ventilspiel, ergeben sich interessante Effekte im Simulationsergebnis.

Bild 10: Simulierter Weg- und Geschwindigkeitsverlauf bei Trennung von Anker und Bolzen sowie Berücksichtigung eines Ventilspiels

Bild 10 zeigt den sich ergebenden Weg- und Geschwindigkeitsverlauf des Ankers. Im Geschwindigkeitsverlauf erkennt man, daß durch das Aufeinanderprallen von Ventil und Anker das Gesamtsystem zu Schwingungen angeregt wird, die nur langsam abklingen. Tatsächlich konnten mit Hilfe von Laser- unterstützen Messungen das Vorhandensein dieser Schwingungen nachgewiesen werden. Die Frequenzen und Amplituden der Schwingungen stimmen sehr gut mit der Messung überein. Die Kenntnis solcher Effekte sind natürlich von großer Wichtigkeit bei der Minimierung der Anker- und Ventilaufsetzgeschwindigkeiten.

8 Die nächsten Schritte

Durch Parametervariationen können die Systeme auf Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen z.B. in der Reibung untersucht werden. Weiterhin lassen sich Analysen durchführen, wie ein Schwingen von Anker und Ventil möglichst vermieden werden kann.

Für ein sanftes Aufsetzen des Ankers bei den von Zyklus zu Zyklus schwankenden Gaskräften wird eine Regelung des Wegverlaufes unumgänglich sein. Entsprechende Reglerauslegungen können ebenfalls mit Hilfe des Simulationssystems SABER durchgeführt werden. Im Hinblick auf automatisierte Reglerabstimmungen sollen jedoch auch Untersuchungen mit anderen Simulationssystemen durchgeführt werden. So ist im weiteren Verlauf des Projektes "TRANSMECHATRONIK" vorgesehen, die an der GSH Paderborn entwickelten Simulationswerkzeuge auf Ihre Anwendbarkeit hinsichtlich der vorliegenden Aufgabenstellungen zu überprüfen.

Ebenso ist vorgesehen, mit Hilfe der Enwicklungsumgebung MATLAB/Simulink entsprechende Auslegungen durchzuführen. Hierbei können die Reglerentwürfe in Kombination mit dem realen Aktuator verifiziert werden. Dies soll mittels einer Echtzeithardware erfolgen, bei der die unter MATLAB/Simulink entwickelten Reglerstrukturen unmittelbar in eine mit Signalprozessor (DSP) ausgerüstete Hardware geladen werden (dSpace-Box), so daß der Regler schon als Software am zu regelnden realen Objekt ausgetestet und optimiert werden kann.

Bild 11: Echtzeitreglersimulation an realem Objekt

Bild 11 zeigt ein Blockschaltbild, aus dem die prinzipielle Funktionsweise hervorgeht. Der unter MATLAB/Simulink erstellte Regler wird mit Hilfe einer dSpace- Box über A/D- Wandler und D/A- Wandler an die reale Aktuatorhardware angekoppelt. Im Echtzeitbetrieb läuft dann die Reglersoftware innerhalb der dSpace- Box ab.

9 Resümee und Ausblick

Es hat sich bereits jetzt gezeigt, daß mit Hilfe der Simulation ein viel schnellerer Entwicklungsfortschritt erzielt werden kann als bei einer rein konventionellen Vorgehensweise, bei der die Hardware jeweils physikalisch realisiert werden muß. Die Kopplung der einzelnen Simulationssysteme ist allerdings eine Hürde, die zunächst genommen werden muß. Inzwischen liegen aber zumindest für die Kopplung zwischen Maxwell und SABER ausreichend Erfahrungen vor, um künftige Aufgabenstellungen zügig bewältigen zu können. Im Rahmen der weiteren Forschungen werden sich dann die Möglichkeiten zum Übergang auf die anderen angesprochenen Systeme zeigen. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt darüber berichten.

10 Danksagung

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung NRW gefördert. Für diese Förderung an der Fachhochschule möchten wir uns ausdrücklich bedanken. 


Literatur

/1/ D.Stojek, A.Stwiorok: "Valve Timing with Variable Overlap Control" FISITA 20th International Automotive Engineering Congress, Wien, 1984, Paper Nr. 845026

/2/ Demmelbauer-Ebner, W., Dachs, A., Lenz, H.P.: "Variable Valve Actuation, (Alfa Romeo VVT, Nissan NVCS, Mercedes-Benz, Fiat VVT, Honda VTEC)", Automotive Engineering, October 1991, S.12ff

/3/ Kreuter P., Heuser P., Schebitz M.: "Strategies to Improve SI-Engine Performance by Means of Variable Intake Lift, Timing and Duration", SAE International Congress and Exposition, Detroit, Feb. 1992, Paper Nr. SAE 920449